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Blog - Undemokratisches Europa - Ausblicke

Europatext

Lesung zum Thema "Europa - Unbekannte Welt" von Isabel Kretschmer, Okt. 2016.

- Undemokratisches Europa - Ausblicke:

Europa, welch wonniges Gefühl, ein Europäer zu sein! Wir sind das Abendland, die Wiege der Kultur, wir sind der Garant für Frieden und Sicherheit in Europa, für die Europäer! Aber da ist auch das Dunkle, Unbekannte, Erebos im Griechischen.

Hinter Europa, für die einen weit, weit zurück, für die andern immer noch so nah, liegt das dunkle Erbe, gären die Erinnerungen an die beiden Weltkriege, an schreckliche Gewalt, Vertreibungen, Grausamkeiten unvorstellbaren Ausmaßes, der Kampf um Macht, um Kolonien, um Absatzmärkte. Das Versprechen der Politik nach 1949: Jetzt werden wir es besser machen, vorleben dem Rest der Welt, dass es auch ohne Gewalt geht, dass friedliches Zusammenleben in Europa, durch Europa möglich ist. Daher ist es nicht erwünscht, nicht tragfähig, Europa in Frage zu stellen, zu fragen, wer denn eigentlich in Europa das Sagen hat, wer hinter dem Garant für Frieden und Sicherheit, für Wohlstand und Demokratie steht.

Als ich 1991/92 meine Diplomarbeit in Sozialwissenschaften zum Thema „Deutsche und europäische Flüchtlingspolitik“ schrieb, war mir das ganze Ausmaß von Europa nicht bewusst. Bewusst war mir nur, dass Frieden, Sicherheit und Demokratie an Europas Grenzen enden: „Flüchtlingswellen“, „Fluten“, die Europa bedrohen, „Überschwemmungen unserer Ordnung“ wurden die Menschen bezeichnet, die den schrecklichen Gefahren der Flucht getrotzt hatten und an unserer Tür klopften. Flüchtlinge wurden zu „Asylanten“, mehr noch zum „Asylantenproblem“, zu „Scheinasylanten“ usw. So wurden Diejenigen schon 1992 bezeichnet, die ebenso wie die Millionen Flüchtlinge, auch meine Eltern, die durch die beiden Weltkriege vertrieben worden waren und Zuflucht z.B. in Deutschland gefunden hatten, Sicherheit und Schutz andernorts suchten. In unserem schönen Land wurden Flüchtlinge schon gleich, nachdem das Recht auf Asyl im Grundgesetz stand, zum Spielball der Politik: Die „Guten“, die aus kommunistischen Systemen flüchteten, wie die „boat people“ aus Vietnam und die „Schlechten“, die aus Systemen kamen, mit denen wir im Westen zusammenarbeiteten oder die wir einfach in alter Tradition des Nazi-Reiches nicht haben wollten wie Sinti und Roma. Flüchtlingspolitik war Spielfeld des „Kalten Krieges“.

Europa, das wurde mir immer klarer, ist selbst eine Bedrohung von Frieden und Sicherheit in Europa und andernorts. Europa ist die Abschaffung oder der langsame Tod von Demokratie (so Roman Herzog), von Sozialrechten, von hohen Lebensstandards und von Rechten, die nicht vom Himmel gefallen sind, sondern für die Menschen, Arbeiter und Arbeiterinnen lange Zeit gekämpft haben: das Recht auf Altersversorgung (dafür zahlt man, bekommt aber immer weniger), auf Arbeitsschutz, auf Streik, auf Krankenversorgung (auch dafür zahlt man und bekommt immer weniger) usw. Nach Aussage des Bundesjustizministeriums werden mittlerweile 90% der Gesetze, die in unserem Land wirksam werden, von der EU gemacht. Brauchen wir da noch unser System der Gewaltenteilung, Bundestag und Bundesrat? EZB-Chef Draghi (der, die Zinsen abschafft) hat schon längst beschlossen, dass der Sozialstaat in Europa abgeschafftgehört. Ja, er selbst wird ihn wohl nicht brauchen, denn in seiner Liga verdient es sich, auch als ganz normaler Beamter und Sachbearbeiter und erst recht als Abgeordneter in der EU mehr als gut. Allein 365 € Tagesgeld nur für reine körperliche Anwesen-heit, ganz zu schweigen von Reisegeldern, auch für nicht getätigte Reisen - erster Klasse wohlgemerkt -, Geld für Mitarbeiter, die es gar nicht gibt usw. usw. Hier geht es um ganz große Abzocke, während der Steuerzahler hierzulande und erst recht in Ländern wie Griechenland zur Kasse gebeten wird, für Dinge, die wir nicht verbrochen haben wie die sog. „Bankenkrise“, die nichts anderes war und ist als ein von Banken mit ihren irren Spekulationsgeschäften selbst organisierter Schuldenberg, den abzutragen uns unser Europa verordnet hat. Bittere Pillen sind dagegen eine Kleinigkeit. Ist als nächstes die Deutsche Bank zu „retten“, weil „too big to fail“?

Zur Kasse geben werden wir demnächst auch, wenn wir, da wir ja immer weniger oder gar keine Rente mehr zu erwarten haben, unser gottseidank noch überschüssiges Geld bei unseren Banken anlegen. „Negativzinsen“ sind nur die Steigerung von fast gar keine Zinsen, obwohl doch die Banken unser Geld nicht unters Kissen legen. Aber auch das wird uns in der Zukunft nicht helfen, das Bargeld steht schon auf der Abschussliste, entgegen aller momentanen Beteuerungen unserer Politiker. Der 500 Euro-Schein ist schon weg „vom Fenster“. Und wir kennen das Prinzip nur zu gut, erst sagt man nein, „alles ist sicher“, und dann wird es eben doch abgeschafft, wir haben uns an den Gedanken ja schon gewöhnt oder? Dass wir eben betrogen und belogen werden, in ganz großen Stil!

Das ist leider die andere Wahrheit über Europa, dass es uns nichts nützt, an der Schöne und Gute von Europa zu glauben und nichts zu tun. Heute haben wir CETA, übermorgen TTIP, den Abbau unserer - noch - hohen und erkämpften Verbraucher- und Arbeitsschutzrechte, den Abbau von Umweltschutz u.v.a.m. in nie gekanntem Ausmaß. Wir haben es dann mit Schiedsgerichten zu tun, die von privaten Schiedsrichtern geführt , die nach Fall entlohnt werden, die keine Sanktionen zu fürchten haben, wenn sie Gesetze falsch auslegen, die dafür sorgen, dass Investoren meist mit Erfolg klagen, wenn Staaten ihre Menschen schützen wollen vor „fracking“ z.B., den flächen-deckenden Gasbohrungen, vor giftigen Stoffen im Benzin, in Lebensmitteln, in Kinderspielsachen usw. Oder wenn regionale Auflagen an Unternehmen zum Schutz von Regionen im Bereich Umweltschutz oder Arbeitsschutz einfach - per Schiedsgericht - fallengelassen werden müssen und und der Staat zusätzlich Entschädigungssummen im Millionen- oder Milliardenbereich an das klagende Unternehmen zahlen muss – aus Steuergelder wohl bemerkt!

Unsere Schutzwälle werden fallen. Wie im Fall Vattenfall, in dem vom Schiedsgericht entschieden wurde, dass Deutschland wegen Stilllegung seiner Atomkraftwerke 4,7 Milliarden Euro an Entschädigung an den schwedischen Konzern zahlen muss. Das ist nur der Anfang eines schwerwiegenden Umwälzungsprozesses unserer Systeme. Investoren, Konzerne, klagen gegen Staaten und damit gegen die Menschen dieser Staaten, das ist der neue Trend, der mit der NAFTA seinen ersten Auftakt hatte. Übrigens können nur Konzerne vor diesen Schiedsgerichten klagen, wir Menschen haben dazu nicht das Recht.

Hatten wir, die Menschen in Europa eine wahre Chance, das Recht, gegen CETA zu stimmen? In unserem Lande gibt es nicht einmal die Möglichkeit, mit einem Referendum gegen einen internationalen Vertragsabschluss vorzugehen. So viel zum Thema Demokratie in unserem Land. Länder, in denen es echte Referenden gibt, so in Irland, wo der Vertrag von Lissabon (das wichtigste Vertragswerk der EU bis heute) im ersten Referendum abgelehnt wurde, haben ein zweites Referendum abgehalten und siehe da, die Mehrheit hat dann doch zugestimmt. Waren die Menschen dort müde oder einfach überzeugt davon, „die da oben“ ohnehin machen, was sie wollen? Sind wir alle zu müde für Europa? Die Politiker und - bis auf Ausnahmen – die Medien sagen es uns doch fast täglich, dass alles „in Ordnung“ ist in Europa und dass wir nicht immer an Europa herummeckern sollen. Aber sollen wir nicht an einem Organ, die EU, die so gravierende Veränderungen mit uns vorhat wie den CETA-Vertrag und die nicht einmal ein ordentliches Parlament hat, das bis heute ohne Opposition und Initiativrecht vor sich hin „vegetiert“ und das darüber hinaus nur „Mitentscheidungsrechte“ auf Gesetzesebene oder gar keine Rechte wie in der Außen- und Sicherheitspolitik besitzt, doch etwas auszusetzen haben?

Auf Aufhebung der Gewaltenteilung folgte in der Vergangenheit immer nackte Gewalt. Sind wir wieder so weit? Ich finde langsam ja, irgendwie schon. Und wenn ich mir anschaue, wie Putin in den Medien, in der Politik zum einzigen Aggressor und zum Dämon für die demokratische Welt stilisiert wird, da ist mir langsam richtig „Angst und bange“. Wer führt eigentlich Krieg seit Jahrzehnten vor wessen Haustüre? Auf der Krim, in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Afghanistan, im Nahen Osten,....?

Und aus eben diesem Grunde habe ich diese Ausstellung so zusammengestellt, dass aus den Bildern das herauskommt, was ich seit ich den Film „Holokaust“, den ich mit 16 Jahren im Fernsehen sah, nie mehr losgeworden bin: Es ist etwas faul im Staate, im Hause Europa, und sei es vielleicht auch mythologisch gesprochen ein wenig dadurch, dass die verlorene Griechin Europa von ihrer Familie nie gefunden wurde: Ich empfinde Verlust, Schmerz, Wut, Trauer, auch, weil zwischen uns Menschen in Europa leider nicht nur Solidarität herrscht angesichts des vielen Elends, das sich mehr und mehr ausbreitet. Hungernde und unterernährt geborene Kinder in Griechenland, Menschen, auch in Deutschland, die schon lange und immer weniger von 40h Arbeit in der Woche überleben, nicht ihre Familie ernähren können, immer mehr Menschen, die dank Harz IV , 400- und 1-Euro-Jobs später keine Rente bekommen werden, das kann mir nicht egal sein, das ist mir nicht egal.

Die Agenda 2010 von Schröder, also Hartz IV und Co., basiert übrigens auf der Lissabon-Strategie der EU und die wiederum auf Plänen des ERT (European Round Table), ein Zusammenschluss von 50 CEO´s, also höchsten Wirtschaftsbossen. Das ist eine der Lobbyisten-Denkstuben der EU, die auch den europäischen Binnenmarkt und TTIP auf den Weg gebracht haben. Hinter EU und der westlichen Welt, sprich den USA, stehen mindestens 10 solcher Denkfabriken (Thinktanks), die nicht nur mit Wirtschaftsbossen, sondern auch auch Politikern, Stiftungs-Inhabern und ganz wichtig – Medienverantwortlichen besetzt sind. Übersetzt heißt das: Wirtschaft, Politik, steuerfreies Geld (Stiftungen) und Medien sitzen – wahrscheinlich - gemütlich und fern von uns, dem Fußvolk, der Öffentlichkeit, der Demokratie, zusammen und beschließen, was in der Welt zukünftig zu passieren hat. Praktisch oder?

Und, kommen wir zurück zur Kunst: Manchmal würde ich auch gern Blümchen-Bilder oder einfach Landschaften malen, ohne dieses Gefühl von „das Idyll gibt es doch nicht“, aber ich bekomme es einfach nicht hin. Da kann ich Adorno ein wenig zustimmen, dass es keine Kunst nach Auschwitz gibt. Aus meiner Sicht keine, ohne den „Stachel im Fleisch“. Aber vielleicht, wenn wir alle, auch Sie, mit anpacken und sagen, egal, wo wir sind, dass wir nicht mitmachen und Wege suchen, dasdurchzusetzen, vielleicht gibt es dann ja doch eine Chance auf ein soziales und gerechtes Europa. Ich, soviel steht fest, ich bin dabei. Meine Bilder zeigen daher nicht nur das, was nicht sogeht, sonder sie zeigen auch das „Prinzip Hoffnung“, die Sehnsucht nach dem Anderen, die Wahrschein-lichkeit des Zusammenkommens des Menschen mit dem Menschen, mit allen Menschen und am Ende die Einigung in echtem Frieden und echter Sicherheit - in Europa und weltweit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 
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